02.10.2024

„Herr Doktor, den Eckball trete ich“

Sportsleute-Kolumne von Wolfgang Brück

Auf dem Fußball-Campus in Neuenheim traf Geschichte Gegenwart. Beim ersten Saisonsieg des Anatomie-SportClubs war der Gründungs-Präsident persönlich vor Ort. Professor Dr. Dr. Dr. Wolf-Georg Forssmann hob vor 46 Jahren mit 30 Mitstreitern den heute neben der SG Kirchheim ranghöchsten Heidelberger Fußballverein aus der Taufe. Forssmann kommt aus einer Familie, mit der man ein Kreis-Krankenhaus betreiben könnte. Seine Mutter und seine Frau Antje sind Medizinerinnen, Bruder Bernd machte sich als Entdecker des Nierenstein-Zertrümmerers einen Namen, Schwester Renate arbeitete als Kinder-Psychiaterin, zwei seiner drei Kinder sind in der Pharmakologie tätig. Der langjährige Anatomie-Direktor der Ruperto Carola war an der Erfindung von Medikamenten gegen AIDS und Herzinsuffizienz beteiligt. Der bekannteste der Forssmänner war Werner Forßmann, der sich noch mit „ß“ schrieb. Er gilt als der Erfinder des Herz-Katheters. 1929 unternahm er Selbstversuche und führte sich Katheter in Leiste und Armbeuge ein. Das gefiel seinem Chef in der Berliner Charité nicht. Professor Ferdinand Sauerbruch feuerte Wolf-Georgs Papa mit den Worten: „Wir sind hier doch nicht im Zirkus.“

Professor Dr. Dr. Dr. Wolf-Georg Forssmann im Interview mit Wolfgang Brück (Foto: Weisbrod)

Unterhaltungs-Wert hatten die Anfänge des Anatomie-Sport-Clubs. Beim ersten Spiel gab es eine 0:9-Klatsche auf dem Dilsberg. Es dauerte ein gutes Jahr bis zum ersten Sieg. Roger Hasenbein und Joseph Weisbrod, heute Vize-Präsident und Medienchef, erzielten im Oktober 1979 die Tore zum 2:1 gegen Schatthausen. Ob sie nach einer Forssmann-Ecke zustande kamen, ist nicht überliefert. Wohl aber, dass der ehrgeizige Ober-Anatom manchmal minutenlang an der Eckfahne diskutierte, wer den Ball treten dürfe. Am Donnerstag in einer Woche feiert Wolf-Georg Forssmann seinen 85. Geburtstag. Er verbringt seinen Ruhestand in Heidelberg, inspiriert durch die Erzählung von Heinrich Böll „Du fährst zu oft nach Heidelberg“, wie er zum Besten gibt. Diese Woche war er in Stockholm, wo seinem Vater 1956 der Nobelpreis für Medizin verliehen wurde. Wolf-Georg, damals 17, war dabei. Er erinnert sich noch gut an König Gustav IV. Adolf, den Schwieger-Opa der Heidelbergerin Silvia Sommerlath. Das Verbandsliga-Derby auf dem Campus sahen Professor Forssmann, der Mosbacher Hausarzt Dr. Paul Kalmbach, auch er ASC-Gründungsmitglied, und Joseph Weisbrod gemeinsam an. Joseph Weisbrod berichtete kürzlich in einem lesenswerten Beitrag der Rhein-Neckar-Zeitung über seine dramatische Herz-Operation. Alles hängt mit allem zusammen.

RNZ vom 28.09.2024, Seite 25